Kunstwerk des Monats

Das Magnifikatfenster

Passend zum Marienmonat Mai, möchten wir dieses Fenster vorstellen. Es wurde von Professor Emil Wachter gestaltet und konnte 1986 im Turmraum der Kirche eingefügt werden, weil bei der großen Kirchenrenovierung der 80er Jahre dort ein kleines Fensterloch wiederentdeckt wurde.  

Das Fenster ist der Tradition der „Bibelfenster“ verpflichtet, die sich besonders in den großen gotischen Kathedralen als Zentralfenster im Chorraum eingefügt sind (z. B. im Kölner Dom). Sie sind vielfach in einer Folge aufeinander abgestimmter Bildpaare gestaltet und möchten dem Betrachter die Verknüpfung von Erstem (AT) und Zweitem Testament (NT) vor Augen führen.

Hier weisen die Szenen in der linken Fensterbahn auf das Buch Samuel im Ersten Testament hin. Sie sollen als sogenannte „typologische“ Bilder das Geschehen aus der Kindheitsgeschichte und dem Marienleben (Zweites Testament) auf ihre Weise deuten.      

Folgen wir der Thematik der Bilder gemäß der Deutung von unten nach oben:       

Links erbittet Elkanas Frau Gottes Beistand, um Kinder empfangen zu dürfen. Sie wurden  prophetische Menschen (s. Buch Samuel). Die Rose rechts weist ihrerseits auf Maria hin, die durch die Erwählung Gottes zur „geheimnisvollen Rose“ wird (= eine Anrufung in der lauretanischen Litanei) weil sie den Messias gebären darf.

Links weist Hanna den Tempelpriester Eli darauf hin, dass sie Gott um Nachwuchs gebeten hat und dadurch zum Kindersegen kam (1 Sam 1, 14 – 17). Maria wird rechts durch den Engel Gabriel verkündet, dass Gott sie erwählt hat, den Heilsbringer Jesus zur Welt bringen zu dürfen (Lukas 1, 26 – 38).

Links steht Hanna, die mit erhobenen Händen Gott für seine Güte preist (1 Sam 2, 1 – 11). Rechts sieht man die Begegnung Mariens mit ihrer Base Elisabeth, bei der Maria ebenso das Handeln Gottes an ihr und allen Menschen im Lied des Magnifikat preist (Lukas 1, 46 – 56).

Schließlich zeigt oben das linke Bild, wie Hanna ihren Sohn Samuel dem Tempel weiht (1 Sam 24 – 28), der später seinem Volk den Weg Gottes zeigt. Rechts weist das Weihnachtsbild auf die Menschwerdung Gottes in Jesus hin, der für uns alle zum Heil wurde (Lukas 2, 1 – 7).      

Als Grundierung wurde die Farbe blau gewählt. Sie steht symbolisch für Unberührtheit und Reinheit, die besonders dem Himmlischen eigen ist. Von daher hat sich Blau zur Muttergottesfarbe herausgebildet. In der Kunst wird Maria deshalb häufig mit hell- und mittelblauem Mantel als „Königin des Himmels“ dargestellt.  

Das Fenster ist eine bildhafte, leuchtende Verkündigung der Heilsbotschaft für die Betrachter. Im Turm, also am Eingangsportal hat es einen durchaus symbolisch angemessenen Platz, bereitet es doch den Kirchenbesucher auf das in der Kirche gefeierte Geschehen hin.      

Wolfgang Acht      

Der Kreuzweg in der Kempener Propsteikirche

Die Geschichte des Kreuzweges


Die urchristliche Gemeinde von Jerusalem begann schon im 4. Jh. dem vermuteten Kreuzweg Jesu in Jerusalem nachzugehen. Der eigentliche Brauch entwickelte sich dort aber erst durch die Franziskaner im 14. – 15. Jahrhundert. Die Gläubigen von Jerusalem und die Pilger sollten zum Mitvollzug des Passionsweges Jesu angeregt werden. Für die Stationen stützte man sich auf biblisch bezeugte Hinweise, fügte aber später weitere besinnliche dazu, wie die legendäre Station  „Veronika reicht Jesus das Schweißtuch“. Gab es zuerst 12 Stationen, orientiert an der Zahl des neuen Bundes wurden es später vierzehn Stationen (2 x 7, sieben, eine heilige Zahl). Aber erst im 18. Jh. verbreitete sich der Brauch weltweit.
Inzwischen findet sich in moderneren Kreuzwegen eine 15. Station: „Der von den Toten auferstanden ist.“

Den Kreuzweg in der Kempener Propsteikirche gab der damalige Pastor Schlünkes in Auftrag. Die Bilder wurden vom Kirchenmaler Heinrich Lamers in der Zeit zwischen 1895 und 1910 auf Holz gemalt (Tafelgröße 130 x 100 cm). Eingeweiht und aufgehängt wurde der Kreuzweg im Mai 1910. Die vierzehn Stationen hängen im linken und rechten Seitenschiff.
Die vierte und achte Station des Kreuzweges haben wir ausgewählt, weil auf ihnen Motive der Stadt Kempen erkennbar sind.

 

4. Station: Jesus begegnet seiner Mutter

Von Schmerz gebeugt, trägt Jesus das Kreuz und sieht seine Mutter. Sie neigt sich ihm zu. Die Soldaten, die Jesus mit dem Kreuz vor sich her treiben, schauen skeptisch. Maria wird von zwei Frauen und dem Lieblingsjünger Johannes begleitet. Das Gebäude im Hintergrund erinnert an das Rathaus von Kalkar. Jesus wird zum Ausgestoßenen.
Das Bild ruft den  Betrachter dazu auf, an Jesu Leidensweg wie die Mutter Anteil zu nehmen und sich an sein Wort zu erinnern: „Wahrlich ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan“ (Mt 25, 45).

 

8. Station: Jesus begegnet den weinenden Frauen


Der das Kreuz tragende Jesus wirkt hier fast souverän. Er wird aber wird von Simon  von Cyrene unterstützt.  Jesus wendet sich den weinenden Frauen und ihren Kindern zu. Die Frauen werden von einem Begleiter mit Lanze deutlich zurückgewiesen. Die beiden Söhne des Simon, Alexander und Rufus schauen teilnehmend zu.
Jesus sagt laut der Schrift zu den Frauen: „Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder“ (LK 23, 28). Er bittet auch den Betrachter, sich mehr dem Leid und der Not der Mitmenschen anzunehmen, anstatt nur das Leid der Welt zu beweinen. Nicht rührselige Distanz, sondern aktive Anteilnahme ist gefordert.
Auf dem Bild ist im Hintergrund eindeutig das Kuhtor von Kempen zu erkennen. Das Kreuzweggeschehen soll damit in die Nähe des Betrachters und der in der Kirche betenden Gemeinde und  gerückt werden.

 

Die gestohlenen Figuren aus dem Kreuzaltar

Ein Kunstraub von Altarfiguren aus dem „Kreuzaltar“  

 

Die Bilder weisen auf einen Vorgang hin, der in den rheinischen Medien Mitte 2016 für Überraschung sorgte. Es wurde auf einen Kunstraub von 1969 in der Propsteikirche St. Mariae Geburt hingewiesen.

Vor 46 Jahren wurden aus der linken unteren Schnitzgruppe der Beschneidung Jesu die Mittelfiguren, weiterhin zwei Figuren aus dem mittleren Bild der „heiligen Sippe“ und zwei aus dem rechten Bild, dem Marienbegräbnis geraubt. Der Diebstahl wurde damals nicht bekannt gegeben, war es doch peinlich, den Raub aufgrund der nicht genug befestigen Figuren nicht verhindert zu haben. Zwei Jahre später, im Jahr 1971, entschloss man sich , die fehlenden Figuren durch den erfahrenen Schnitzer und Restaurator, Wilhelm Hable aus Meerbusch, kopieren zu lassen.

Dieser hat eine erstaunlich gute handwerkliche Arbeit geleistet. Es standen ihm für diese Arbeit nur Schwarzweißfotos der Schnitzgruppen zur Verfügung, nach denen er die fehlenden Figuren kopierte und die Farbgebung dem oberen Altarensemble anpasste. Jetzt, wo die Originale wieder aufgetaucht sind, erkennt man, wie gut die Kopien gelungen sind.

Viele haben den Verlust gar nicht richtig wahrgenommen.

Die Originale aus dem Jahr 1520 wurden im Februar 2016 im Klostergarten Maria Lach anonym in einer Tragetasche abgestellt. Durch vorgenommene Recherchen des Bundeskriminalamtes konnten die Originale den jeweiligen Orten im Rheinland, wo man sie gestohlen hatte, zugeordnet werden. Vor der anstehenden Renovierung wurden die Originale mit den Kopien in einer Ausstellung im Kramermuseum der Stadt Kempen ausgestellt.   Der Renovierung bedarf es, weil die Figuren stark verschmutzt und Farbteile abgesprungen sind.   Diese Arbeiten sind aufwendig, daher sucht die Propsteipfarre Spender für diese Arbeit. Nach der Renovierung sollen die Figuren wieder ihren angestammten Platz im Kreuzaltar finden.  

Die Fotos zeigen einmal die Originale in dem noch nicht restaurierten Zustand und die Kopien von Wilhelm Hable aus Meerbusch aus dem Jahre 1971.

Pfarrer Wolfgang Acht

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