Die Außenmauern sind sanierungsbedürftig, aber die Schätze im Innern der Propsteikirche Kempen sind bis ins Detail sehenswert. Der Kirchenbauverein Kempen hat sie mit Fotograf und Kirchenführer Josef Lamozik in den Fokus genommen und ein Buch aufgelegt. In zweifacher Hinsicht ist die Veröffentlichung eine Punktlandung: Vor Weihnachten und vor dem Baubeginn kommt der übergroße Bildband heraus.
Foto: Dorothée Schenk
Frühmorgens mit Ostlicht ist die Illuminierung des Thomasfensters besonders schön – selbst wenn das Renaissance-Prospekt davor den Blick mindert. Im Mittagslicht strahlt die Kempener Madonna fast von selbst, und die Abendstimmung, wenn außen die Propsteikirche angestrahlt wird, hat einen ganz eigenen Charme. Bei aller Gelassenheit des Technikers ist spürbar, mit wie viel Zuneigung und Begeisterung Josef Lamozik bei der Materialsammlung für das Panoramabuch vorgegangen ist. So steht er auch schon mal morgens um 2 Uhr auf, wenn ihm eine neue Idee gekommen ist, wie ein Motiv interessanter, deutlicher werden kann. Das gilt etwa für das Foto „Der gläubige Mensch“ in Verbindung mit der Gedenktafel. Text und Figur gehen eine künstlerische Symbiose ein, die der Kirchenbesucher in St. Mariä Himmelfahrt in der Realität nie sehen wird, und lenkt so die Augen der Menschen über das gemeinhin Sichtbare hinaus. Oder rückt das Unscheinbare durchs Objektiv betrachtet ins Blickfeld, wie am Beispiel des Schlusssteins im Eingang erlebbar wird. Lamozik bringt auch schon mal Licht ins Dunkel: Immer gestört hat den ehrenamtlichen Kirchenführer in der Propsteikirche, dass die Wurzel Jesse schlecht erkennbar ist, „vor allem der schlafende Jesse, der die Wurzel umarmt hält“. Ausgeleuchtet und mit Raffinesse farblich abgesetzt, ist das Detail im Buch ein Hingucker. Die Balance zwischen fotografischem Handwerk und guten Kenntnissen im Computerprogramm Photoshop machen den Reiz aus. 300 Bilder, so erzählt der pensionierte Maschinenbauer, sind für das Prunkstück des Bildbandes entstanden: das Panorama des Innenraums. „Das ist eine besondere Herausforderung, Leidenschaft und fast ein mathematisches Problem.“ Aus mehreren Einzelbildern fügt sich schließlich das große Ganze: Einbezogen werden muss die Beibehaltung der Perspektive ebenso wie die der Lichtverhältnisse. „Der Aufwand ist in Zeit nicht messbar“, sagt er schmunzelnd – und darum eigentlich auch nicht mit Geld zu bezahlen. Dennoch ist ein Preis festgelegt: 89,– Euro kostet der Hochglanzband, der in einer Mini-Auflage von 20 Stück in der Erstauflage erschienen ist. Kassierer Franz Steier ist in Vorkasse gegangen und war vorsichtig, ließ aber wissen, dass die zweite Auflage bereits geordert sei. Vize-Kirchenbauvereins-Vorsitzender Georg Kaiser ergänzt, dass für Interessierte nur fünf Arbeitstage zwischen Bestellung und Auslieferung liegen, sollten alle Exemplare vergriffen sein. Pünktlich für Heiligabend kann also ge-gebenenfalls noch geordert werden. Außerdem gibt es eine „Kleinausgabe“ in DIN-A-4, die dieselben Motive enthält, zu 15,– Euro – spiralgebunden und selbstredend mit Verlust des Panorama-Effekts. Südfassade ist sanierungsbedürftiger als erwartet „Wir wollen noch einmal auf die Schönheiten aufmerksam machen“, sagt Joachim Minten. Die Motivation gibt der engagierte Kirchenbau-Vorsitzende auch unumwunden zu: Es geht ums Geld. Einerseits wird der Reinerlös des Bildbandes in die satzungsgemäß verbriefte Aufgabe zur Erhaltung der Propsteikirche fließen, andererseits soll sie potenziellen Spendern vor Augen führen, welches kirchliche Kleinod finanzielle Unterstützung benötigt. Und die ist erheblich: Die in die 500er Jahre gekommene Kirche hat rundum Sanierungsbedarf. Um die zwei Millionen Euro wird die Gesamtmaßnahme wohl kosten. Genau festlegen möchte Minten sich da nicht. Das sind rund 700000 Euro mehr, als ursprünglich angenommen. Der Grund: Die Südfassade, von der angenommen worden war, dass Schönheitsreparaturen für den Moment ausreichend seien, hat sich bei genauer Beschau per Hubsteiger durch den Gutachter als ebenfalls dringlich erwiesen. „Das hat keine fünf Jahre mehr Zeit.“ Ob die Rechnung allerdings aufgeht, hängt noch ein wenig vom Bistum ab, das Mitfinanzier ist. Hier müssen die Mittel für die erweiterte Baumaßnahme freigemacht werden. Drei Jahre Bauzeit Drei Jahre lang – so der Plan – soll die Instandsetzung dauern. Das ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Schließlich hat die letzte Sanierung in den 1980ern zehn Jahre gedauert. Schon in den nächsten Wochen sollen das Gerüst aufgebaut und die Arbeiten an Turm und Westfassade begonnen werden. Eile ist geboten, die Arbeiten können nur bei gutem Wetter stattfinden. Das heißt aller Regel nach von Mitte März bis Ende Oktober. Den Anfang machen Turm und Westfassade im kommenden Jahr, 2020 soll dann die Nordfassade folgen und als dritter Bauabschnitt 2021 Chor und Südfassade. Hier steht allerdings noch die letzte Zusage des Bistums Aachen aus, ob die Mittel zur Verfügung stehen, da es einen Teil der Kosten übernimmt. „Ich bin optimistisch, dass die kommende Sanierung 50 Jahre Bestand hat“, gibt sich Kirchenbau-Vereinsvorsitzender Joachim Minten zuversichtlich.
Dorothée Schenk
Zwei neue Bildbände sind über die Kempener Propsteikirche erschienen. Der Verkaufserlös fließt in die aufwendige Sanierung. Von Silvia Ruf-Stanley Kempen: Ein gewaltiges Sanierungsvorhaben steht der katholischen Kirchengemeinde St. Mariä Geburt ins Gotteshaus. Denn die vor rund 40 Jahren zuletzt sanierte Kirche hat unter Wetter und Wind gelitten. Vor allem die Westfassade und der Turm sind am schlimmsten betroffen. Vielfache Aktivitäten hat der Kirchbauverein der Propsteikirche gestartet, um den Eigenanteil der Pfarre zu den Kosten zu sammeln. Aufsehenerregend war eine große Plakataktion. Die FDP hatte nach der letzten Bundestagswahl ihre Plakatwände noch einige Zeit zur Verfügung gestellt. Mit großen Plakaten wies der Kirchbauverein damit auf sein Anliegen hin. Eine durchaus erfolgreiche Aktion, so Joachim Minten am Donnerstag im Pressegespräch. Aber er machte auch deutlich, dass noch weitere Mittel gesammelt werden müssen. Denn inzwischen hat sich herausgestellt, dass sowohl die Ostseite als auch der Chorraum saniert werden müssen. Das Bistum Aachen kann sich nur zum Teil daran beteiligen. Das Dilemma sei, dass im Bistum einfach zu viele Kirchen vor den gleichen Problemen wie die Kempener stünden, sagte Minten. Die Kirche St. Mariae Geburt in Kempen zählt zu den bedeutendsten Gotteshäusern am Niederrhein. Foto: Josef Lamozik Der große Bildband zum Preis von 89 Euro ist im Pfarramt, Judenstraße, im Kramer-Museum, Burgstraße, sowie in der Thomas-Buchhandlung und der Buchhandlung Wissink in Kempen erhältlich. Einen kleinen Bildband im DIN-A4-Format und Spiralbindung gibt es für 15 Euro. In der Kirche selbst liegen Bestellkarten und ein Ansichtsexemplar aus.Nun hat der Kirchbauverein passend zum bevorstehenden Weihnachtsfest einen wunderschön gestalteten Bildband herausgebracht. Im großflächigen DIN-A3-Querformat werden in wertvollen Hochglanzfotografien die Kunstschätze der Kirche gezeigt. Der Betrachter entdeckt viele bekannte Dinge neu, aber dieses Mal ins rechte Licht gerückt. Vor allem: Er kann die Motive mit viel mehr Ruhe und ganz nah anschauen. Da sieht man zum Beispiel die Engelsköpfe am oberen Ende der Kapitäle so vor sich, dass man ihnen im wahren Sinne des Wortes ins Angesicht schaut. Bis in die kleinste Einzelheit kann man die kostbaren Schnitzereien im Hochalter, im Chorgestühl oder auch am Annenaltar betrachten. Die Fenster erstrahlen in neuem Glanz, wenn sie ganz heraus gehoben im Dunkel der Kirche durch das Sonnenlicht wirken. Und auch eine große Perspektive in den gesamten Kirchenraum wirkt ganz neu. Das Bild zeigt in seiner ganzen Bandbreite die Tiefe des Raumes. Da ist der alles beherrschende große Christopherus, der wunderschöne Marienleuchter in der Mitte, der unverstellte Blick auf den Hochaltar im Chorraum. Alles vertraut und doch neu zu erfahren. Unwillkürlich wird man still und andächtig bei diesen Bildern. Das Kunststück geschaffen hat der Kempener Fotokünstler Josef Lamozik. Viele Stunden hat er in der Kirche und mit der Bearbeitung der Bilder zugebracht. So entstanden zum Beispiel Panoramaaufnahmen aus vielen Bildern, von denen dann nur einige für das Endergebnis taugten. Lamozik lobt die neue Technik der Digitalfotografie und ihre vielen Möglichkeiten. Unterstützt wurde er bei seiner Arbeit von Georg Kaiser vom Vorstand des Kirchbauvereins sowie dessen Geschäftsführer Franz Steier.
Stellten am Donnerstag die Bildbände zur Propsteikirche vor (von links): Georg Kaiser, Josef Lamozik, Joachim Minten und Franz Steier.
Foto: Wolfgang Kaiser
Der zweite Adventssonntag ist für die Propsteikirche St. Mariae Geburt ein ganz besonderer Tag. Am Sonntag nach der Messe werden die Flügel des Marienretabels im südlichen Seitenschiff geöffnet - und zum ersten Mal nach 46 Jahren können die Kempener das Marienretabel wieder im Ursprungszustand sehen. Die 1971 herausgebrochenen, gestohlenen Figuren sind nach dem Abstecher zur Restaurierung in Aachen wieder in Kempen angekommen. "Ein Fest für die Augen", verspricht Propst Thomas Eicker den Besuchern. Zum Vergleich sind die Kopien der fünf Figurengruppen, die der Osterather Holzbildhauer Wilhelm Hable nach dem Diebstahl anfertigte, auf dem ehemaligen Kreuzaltar aufgereiht. Dann werden die Flügel wieder geschlossen. Bis Heilig Abend bleibt das Retabel in der adventlichen Fastenzeit geschlossen: "Fasten für das Auge", wie Eicker es bezeichnet.
Gestern präsentierte die Restauratorin Stefanie Korr die Ergebnisse ihrer Arbeit. Nicht das Bistum, auch nicht die Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Kempen-Tönisvorst, sondern Kempener Bürger haben die Kosten für die Restaurierung, einen mittleren vierstelligen Betrag, übernommen. Neben drei Bürgern, die nicht genannt werden möchten, hat den Hauptteil der Kosten der Kempener Geschichts- und Museumsverein übernommen. Sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das gestern den Medien präsentiert wurde, waren neben Propst Thomas Eicker auch Elisabeth Friese, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Kempen, und Michael Scholz, Leiter der Kommission für kirchliche Kunst des Bistums Aachen.
Die Geschichte des Verschwindens und Wiederauftauchens der Figuren ist ein wahrer Krimi. Fünf Figurengruppen des Retabels, zwischen 1510 und 1520 in Antwerpen geschnitzt, wurden 1971 gestohlen und blieben über Jahrzehnte verschollen - bis am 29. Februar 2016 ein Mönch im Garten des Klosters Maria Laach in der Eifel zwei Reisetaschen mit insgesamt sechs weiteren Heiligenfiguren fand. Dass die Taschen über die Klostermauer in den Garten geworfen wurden - an diese Version der Geschichte glauben Restauratorin Stefanie Korr und Museumschefin Elisabeth Friese nicht. Dann wären die Schäden an den Figuren größer gewesen. Das Kloster verständigte die Polizei. Über das Landes- und schließlich das Bundeskriminalamt und kunsthistorische Experten wurde die Herkunft des Diebesgutes geklärt. Durch die Beschneidungsszene mit dem Brillenträger waren die Fahnder schnell auf Kempen gekommen.
Restauratorin Korr vermutet, dass der Dieb oder sein Auftraggeber mit den Figuren pfleglich umgegangen sei. Sie waren anscheinend aufgestellt und so gut aufgehoben. Eine entsprechende Staubschicht lasse diesen Schluss zu. Über die Rückgabe könne man nur spekulieren. Vielleicht hätten die Erben des ursprünglichen "Besitzers" nichts mit den gestohlenen Figuren zu tun haben wollen und sie in ein Kloster gebracht. Letztendlich hat dies auch zu einem guten Ende geführt.
Die fehlenden Stücke hatte 1971 Wilhelm Hable, ein versierter Holzbildhauer, nach Schwarz-Weiß-Fotos geschnitzt. Die Aufgabe war ihm gut gelungen, auch wenn die Originale graziler und feingliedriger erscheinen. Die Farben unterscheiden sich außerdem erheblich. Aber ansonsten hatten sich die Kopien gut in das Ensemble des Schnitzaltares eingefügt. Hable starb 2009 im Alter von 86 Jahren in Osterath.
Seine Figuren werden aus der Propsteikirche ins Städtische Kramer-Museum überführt werden. Elisabeth Friese wird sie aber nicht in das Museum für Niederrheinische Sakralkunst aufnehmen. Vielmehr sollen sie Teil der stadtgeschichtlichen Abteilung des 20. Jahrhunderts werden, um dort die Geschichte des Diebstahls von 1971 und der Rückgabe im September 2016 zu erzählen.