Stadt Kempen

Eine besondere Rückkehr nach 46 Jahren
Stadt Kempen: Eine besondere Rückkehr nach 46 Jahren
 
Die Leseszene in der Mitte ist im Original farblich ganz anders gefasst als bei den Nachbildungen von 1971. Die Fotografien vor dem Diebstahl waren schwarz-weiß. FOTO: Heribert Brinkmann
Stadt Kempen. Am Sonntag nach der Messe wird in der Propsteikirche das Marienretabel aufgeklappt. Dann kann die Gemeinde die alten, gestohlenen und wiederaufgefundenen Figuren an Ort und Stelle sehen. Sie mussten sorgfältig restauriert werden. Von Heribert Brinkmann

 

Der zweite Adventssonntag ist für die Propsteikirche St. Mariae Geburt ein ganz besonderer Tag. Am Sonntag nach der Messe werden die Flügel des Marienretabels im südlichen Seitenschiff geöffnet - und zum ersten Mal nach 46 Jahren können die Kempener das Marienretabel wieder im Ursprungszustand sehen. Die 1971 herausgebrochenen, gestohlenen Figuren sind nach dem Abstecher zur Restaurierung in Aachen wieder in Kempen angekommen. "Ein Fest für die Augen", verspricht Propst Thomas Eicker den Besuchern. Zum Vergleich sind die Kopien der fünf Figurengruppen, die der Osterather Holzbildhauer Wilhelm Hable nach dem Diebstahl anfertigte, auf dem ehemaligen Kreuzaltar aufgereiht. Dann werden die Flügel wieder geschlossen. Bis Heilig Abend bleibt das Retabel in der adventlichen Fastenzeit geschlossen: "Fasten für das Auge", wie Eicker es bezeichnet.

Gestern präsentierte die Restauratorin Stefanie Korr die Ergebnisse ihrer Arbeit. Nicht das Bistum, auch nicht die Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Kempen-Tönisvorst, sondern Kempener Bürger haben die Kosten für die Restaurierung, einen mittleren vierstelligen Betrag, übernommen. Neben drei Bürgern, die nicht genannt werden möchten, hat den Hauptteil der Kosten der Kempener Geschichts- und Museumsverein übernommen. Sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das gestern den Medien präsentiert wurde, waren neben Propst Thomas Eicker auch Elisabeth Friese, Leiterin des Kulturamtes der Stadt Kempen, und Michael Scholz, Leiter der Kommission für kirchliche Kunst des Bistums Aachen.

Die Geschichte des Verschwindens und Wiederauftauchens der Figuren ist ein wahrer Krimi. Fünf Figurengruppen des Retabels, zwischen 1510 und 1520 in Antwerpen geschnitzt, wurden 1971 gestohlen und blieben über Jahrzehnte verschollen - bis am 29. Februar 2016 ein Mönch im Garten des Klosters Maria Laach in der Eifel zwei Reisetaschen mit insgesamt sechs weiteren Heiligenfiguren fand. Dass die Taschen über die Klostermauer in den Garten geworfen wurden - an diese Version der Geschichte glauben Restauratorin Stefanie Korr und Museumschefin Elisabeth Friese nicht. Dann wären die Schäden an den Figuren größer gewesen. Das Kloster verständigte die Polizei. Über das Landes- und schließlich das Bundeskriminalamt und kunsthistorische Experten wurde die Herkunft des Diebesgutes geklärt. Durch die Beschneidungsszene mit dem Brillenträger waren die Fahnder schnell auf Kempen gekommen.

 
 
Auch hier ein Detail der Mariensippe. Bei der Mädchenfigur hat die Restauratorin die Stange des Steckenpferdes ergänzt. FOTO: HERIBERT BRINKMANN

Restauratorin Korr vermutet, dass der Dieb oder sein Auftraggeber mit den Figuren pfleglich umgegangen sei. Sie waren anscheinend aufgestellt und so gut aufgehoben. Eine entsprechende Staubschicht lasse diesen Schluss zu. Über die Rückgabe könne man nur spekulieren. Vielleicht hätten die Erben des ursprünglichen "Besitzers" nichts mit den gestohlenen Figuren zu tun haben wollen und sie in ein Kloster gebracht. Letztendlich hat dies auch zu einem guten Ende geführt.

Die fehlenden Stücke hatte 1971 Wilhelm Hable, ein versierter Holzbildhauer, nach Schwarz-Weiß-Fotos geschnitzt. Die Aufgabe war ihm gut gelungen, auch wenn die Originale graziler und feingliedriger erscheinen. Die Farben unterscheiden sich außerdem erheblich. Aber ansonsten hatten sich die Kopien gut in das Ensemble des Schnitzaltares eingefügt. Hable starb 2009 im Alter von 86 Jahren in Osterath.

 
Präsentierten gestern das wieder original komplette Marienretabel in der Propsteikirche (von links): Restauratorin Stefanie Korr, Kulturamtsleiterin Elisabeth Friese, Michael Scholz, Leiter der Kommission für kirchliche Kunst des Bistums Aachen, und Propst Thomas Eicker. FOTO: WOLFGANG KAISER

Seine Figuren werden aus der Propsteikirche ins Städtische Kramer-Museum überführt werden. Elisabeth Friese wird sie aber nicht in das Museum für Niederrheinische Sakralkunst aufnehmen. Vielmehr sollen sie Teil der stadtgeschichtlichen Abteilung des 20. Jahrhunderts werden, um dort die Geschichte des Diebstahls von 1971 und der Rückgabe im September 2016 zu erzählen.



Quelle: RP:  http://www.rp-online.de/nrw/staedte/kempen/eine-besondere-rueckkehr-nach-46-jahren-aid-1.7252518
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