Rheinische Post vom 13.01.2017

Kempen

Originale und Kopien im Kramer-Museum

Von Heribert Brinkmann
Ab Sonntag sind die 1971 geraubten und 2016 wiedergefundenen Schnitzfiguren aus dem Marienretabel der Propsteikirche St. Mariae Geburt samt der angefertigten Kopien im Städtischen Kramer-Museum ausgestellt. 
 
So nah konnte man ihnen früher nie kommen und auf Augenhöhe jedes Detail begutachten: Fünf Figurengruppen des Marienretabels von 1510-1520, die 1971 aus der Propsteikirche gestohlen wurden. Eine kleine spontane Ausstellung im eigentlich wegen Umbaus geschlossenen Städtischen Kramer-Museum ist ab Sonntag bis zum 12. März diesen Figuren gewidmet. In einer einmaligen Gelegenheit kann der Besucher dabei die Originalfiguren, die aus einer Antwerpener Holzschnitzwerkstatt stammen, und die nach dem Diebstahl angefertigten Kopien des Meerbuscher Holzbildhauers Wilhelm Hable vergleichen. Sie sind in den Vitrinen direkt übereinander angeordnet.
Die Ausstellung befriedigt sicherlich die Neugier, die seit 45 Jahren verschwundenen Originale zu betrachten, dient aber in erster Linie dazu, Spenden für die Restaurierung zu sammeln. In der Ausstellung steht eine Sammelbox, Interessierte können aber auch direkt an die Kirchengemeinde, die Eigentümer der Figuren ist, spenden (Katholische Kirchengemeinde St. Mariae Geburt, DE 69 3205 0000 0011 0018 07, Sparkasse Krefeld, Stichwort "Restaurierung Altarfiguren" oder DE 26 3206 1414 0500 0140 32 bei der Volksbank Kempen-Grefrath, Stichwort "Restaurierung Altarfiguren").
Von Fachleuten wird der Kostenrahmen auf rund 10.000 Euro geschätzt oder vorsichtig auf eine kleinere fünfstellige Summe taxiert. Die Zeit von Januar bis März wird genutzt, um von mehreren Restauratoren Kostenvorschläge einzuholen. Solange bleiben sie vorerst in Kempen und können vor Ort in Augenschein genommen werden.

Für die Restaurierung wird mit etwa drei Monaten gerechnet. Dann kommen sie wieder nach Kempen zurück. Was dann genau mit den mittelalterlichen Figuren passiert, ist noch nicht entschieden, wie Propst Dr. Thomas Eicker erklärt. Es gibt zwei mögliche Alternativen, die die Verantwortlichen der Kirchengemeinde entscheiden müssen. Der eine Weg wäre die Einsetzung der gestohlenen Original-Figuren an ihren alten Plätzen im Marienretabel in St. Mariae Geburt. Der andere Weg führt zurück ins Kramer-Museum. Die Kirchengemeinde könnte sie als Leihgaben dem Museum in Obhut geben. Das könnte sich Museumsleiterin Dr. Elisabeth Friese durchaus vorstellen. Dagegen würde sie die Kopien aus dem Jahr 1971 nicht in die Ausstellung aufnehmen - nicht weil sie schlecht sind, sondern weil es moderne Kopien in einer Sammlung original mittelalterlicher Kirchenkunst wären. Verschwinden die Kopien, die Wilhelm Hable mit außerordentlichem Einfühlungsvermögen nach Schwarz-Weiß-Fotos erstellte, in einem Depot?
Wie Propst Eicker weiter ausführt, ist die Restaurierung aber nicht nur eine Frage des Geldes. Vielmehr müsse mit den Fachleuten vom Bistum Aachen und den Denkmalbehörden geklärt werden, in welchem Rahmen die Restaurierung erfolgt. Wird der beschädigte Originalzustand belassen oder kann auch ergänzt werden? Bei der Figurengruppe der hl. Sippe fehlt dem Kind vor Maria Salome der linke Arm, den es auf den Arm der in einer Bibel lesenden Mutter legt. Auch der Stecken vom Steckenpferd ist abgebrochen. Bei den Aposteln fehlt ein halber Rosenkranz und die Flamme auf der Pilgerkerze, die jetzt wie ein Wanderstab wirkt. Wer in die Propsteikirche geht, wird das Marienretabel im Südlichen Seitenschiff verschlossen finden - wie sonst nur während der Fastenzeit.
 

FOTOS: Wolfgang Kaiser; Heribert Brinkmann
 
Quelle: RP vom 13.01.2017

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